Auf der Eröffnungskeynote der Cebit 2018 fordert Jaron Lanier eine radikale Abkehr vom werbefinanzierten Internet.

Von der Einflussnahme russischer Akteure auf den US-Wahlkampf und die Brexit-Entscheidung bis zum Facebook-Skandal um Cambridge Analytica: Selbst die größten Hightech-Optimisten sind in den letzten Jahren nicht umhingekommen, ihre utopistischen Träume von einst zumindest infrage zu stellen. So geht es auch Jaron Lanier, der die Eröffnungsrede zur Cebit 2018 hielt. „Unser Optimismus war gerechtfertigt“, erklärt der Wissenschaftler und Künstler zwar, zieht kurz darauf aber die Grundlagen der Internetökonomie in Frage.

Für Lanier ist datengetriebene Werbung das grundlegende Problem, da es sich dabei letztlich um eine gezielte Manipulation handeln würde. Leider seien Google und Facebook von dieser Einnahmequelle jedoch genauso abhängig wie Petrostaaten von Öl. Laniers Lösungsvorschlag: Google und Facebook müssten für ihre Dienste Geld verlangen. Dann seien sie nicht länger abhängig von Dritten, die ihre Nutzerbasis manipulieren wollen. Als Beispiel für eine Branche, die erfolgreich von der Werbefinanzierung auf ein Bezahlmodell umgestiegen ist, verweist Lanier auf die Welt der TV-Produktionen, die auch dank Netflix oder HBO einen wahren Hype erlebt habe.

Lanier: Kampf gegen Hassbotschaften und Fake News in jetziger Form problematisch

Für Lanier liegt das Problem sozialer Netze nicht zuletzt darin, dass sich negative Botschaften schlicht weiter verbreiten würden als positive. Dadurch werde die Verbreitung von Hassbotschaften vereinfacht. Aber auch die Form, wie diese Probleme derzeit angegangen werden, sieht Lanier kritisch. Wenn Aktivisten und Politiker die Löschung von Hassbotschaften oder Fake News von Diensten wie Facebook fordern, dann seien sie letztlich zum Bittsteller degradiert und das soziale Netzwerk agiere als Monarch, der hier und da den Wünschen seiner Untergegebenen entgegenkommt.

Zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) will sich Lanier nicht abschließend äußern. Er wolle abwarten, wie sich das Gesetz in der Praxis bewährt. Ein grundsätzliches Problem sieht Lanier aber auch hier: „Die DSGVO sagt Firmen, was sie nicht tun sollen, statt ihnen zu sagen, was sie tun sollen.“ Welche Vorgaben Politik und Gesellschaft der Technologiebranche machen sollten, lässt der Virtual-Reality-Pionier indes offen. Ändern, so Lanier, muss sich die Branche, sonst wendet sich die Welt vielleicht von ihr ab.

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