Im Interview hat Jeff Fritz von Microsoft nicht nur erklärt, wie er zusammen mit der ganzen Welt programmiert, sondern auch, warum wirklich jeder Coden lernen kann.

Jeff Fritz, Senior-Program-Manager bei Microsoft und Experte für .NET, wird auf der Developer Week 2018 den neuesten Trend aus der Entwicklerszene erklären: Coden als Teamsport zwischen Product-Owner, Kunde und Community. Hier verrät er, wie er die Zukunft sieht und warum er sich so für den freien Zugang zu Entwickler-Know-how einsetzt.

Florian Bender: Jeff, du arbeitest bei Microsoft. Was machst du dort?

Jeff Fritz: Ich bin ein community-fokussierter Programmmanager im .NET-Team, der dafür verantwortlich ist, dass vorhandene .NET-Entwickler und -Kunden die Informationen, Schulungen und Funktionen erhalten, die sie benötigen, um mit Visual Studio, Visual Studio Code und .NET erfolgreich zu sein. Das bedeutet auch, dass ich für Microsoft sowohl Entwickler- und Enterprise-Events wie Build, Ignite, .NET-Conf und den MVP-Summit plane, als auch Entwickler-Community-Events wie globale Trainings.

Florian Bender: In deiner Keynote erzählst du, dass Softwareprogrammierung immer offener wird und du auch Communities einbeziehst. Was beobachtest du? 

Jeff Fritz: Wir sehen, dass sich die klassische Paarprogrammierung hin zu einer „Mob-Programmierung“ verlagert. Bei diesem Ansatz kodiert ein Entwickler und mehrere andere schauen zu und bieten Vorschläge an. Außerdem werden immer mehr Anwendungen und Tools als Open Source veröffentlicht. Ich glaube fest, dass dieser Ansatz Standard werden wird. Kunden erwarten dann Zugriff auf den Quellcode ihrer Anwendungen. Microsoft und andere große Technologieunternehmen veröffentlichen immer öfter den Quellcode und ermöglichen den Communities, bei Bedarf Input beizusteuern. Eine starke Gemeinschaft rund um ein Produkt ist für unsere Branche und ihr Wachstum äußerst wertvoll.

Florian Bender: Das klassische Bild des Softwareentwicklers zeichnet einen eher introvertierten Typen, der gerne für sich arbeitet. Wie passt das zum neuen Trend?

Jeff Fritz: Ja, dieses Bild existiert noch, aber die Fähigkeit zu kommunizieren ist für heutige Entwickler eine wichtige Schlüsselqualifikation! Wenn ein Entwickler vorankommen möchte, wird er nicht drum herumkommen, seine Arbeit mit anderen zu teilen und zusammenzuarbeiten.

Florian Bender: In Deutschland gibt es den Spruch „Viele Köche verderben den Brei“. Wie stellt man sicher, dass ein immer größer werdendes Team am Ende nicht nur Chaos fabriziert?

Jeff Fritz: Ich liebe dieses Sprichwort, weil es wahr ist. Man braucht zwingend ein Führungsteam für die Projekte, welches die Richtung vorgibt und das Team fokussiert. Die größte Herausforderung an das Führungsteam ist dabei, Feature-Vorschläge und Code-Eingaben abzulehnen, wenn sie nicht zu den Zielen der Projektleitung beitragen. Ein Projektleiter, der weiß, wie und wann Ideen abzulehnen sind, ist meines Erachtens die stärkste Führungskraft.

Florian Bender: Jeff, du veranstaltest seit kurzem Live-Coding-Workshops per Stream. An wen richten sich die Veranstaltungen?

Jeff Fritz: Ich möchte in meinen Coding-Workshops allen eine Lernerfahrung bieten. Wenn ich Anfänger durch die Events neugierig mache und animiere, selbst Dinge auszuprobieren, indem ich ihnen etwas Wissen vermittle, dann ist das super. Fortgeschrittene und professionelle Entwickler hole ich dagegen ab, indem ich Tipps und neue Funktionen zeige. Auf diese Weise lernt jeder unabhängig von seinem Kenntnisstand.

Florian Bender: Du engagierst dich sehr stark dafür, dass jeder Programmieren lernen kann. Warum eigentlich?

Jeff Fritz: Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder mit etwas Ermutigung programmieren kann. Nicht jeder muss den nächsten Sprachcompiler oder die Linux-Distribution schreiben, aber es gibt viele kleine Anwendungen, die erstellt werden müssen oder kleine Websites, die man pflegen kann. Meine Frau etwa kennt gerade genug HTML-Formatierung, dass sie Inhalte in einer WordPress-Website formatieren und bearbeiten kann. Damit ist sie eine Entwicklerin und ein geschätztes Mitglied in ihrem Team. Es gibt Schulen in den Staaten, wo Leute, die früher Kohle abgebaut haben, als Softwareentwickler umgeschult werden. Diese Leute sind Ingenieure und wissen, wie man Probleme löst. Sie können mit unseren Anforderungen an die Anwendungsentwicklung eine neue Perspektive auf unsere Probleme bieten.

Florian Bender: Wie wird sich diese „Demokratisierung des Zugangs zu Wissen“ deiner Meinung nach auf unsere immer technischer werdende Welt auswirken?

Jeff Fritz: Jedes Unternehmen hat eine Website und viele weitere Menschen haben ihren eigenen Blog. Wie viele Unternehmen haben ihre eigenen mobilen Anwendungen? Da ist eine Menge Code zu schreiben und zu pflegen! Und wir sehen gerade erst den Beginn der Virtual-Reality-/Mixed-Reality-/Augmented-Reality-Technologien. Das ist weiterer Code. Auf dem Fernseher läuft Code und in Kühlschränken und im Unterhaltungssystem von Autos. Die nächsten Generationen von Entwicklern, die diese Anwendungsökosysteme pflegen und ausbauen werden, sind noch sehr jung und wir sollten ihnen eine gute Grundlage geben, damit sie diese Herausforderungen gut meistern.

Florian Bender: Was andere Entwickler von dir lernen können, ist klar. Gibt es denn etwas, was du auch von ihnen lernen kannst? Kannst du ein Beispiel nennen?

Jeff Fritz: Ich lerne viel von anderen in meinem Stream! Der erste Schritt zum Lernen besteht ja darin, zuzugeben, dass man nicht alles weiß. Das habe ich vor langer Zeit getan. Ich konzentriere mich zwar auf meine Kenntnisse über ASP.NET, C# und .NET, aber ich habe schon viel Zeit mit Leuten verbracht, die Java lernen und gezeigt bekommen, wie man Android-Anwendungen erstellt. Ich bezeichne das als „Paarprogrammierung mit der Welt“, weil die Zuschauer (ich mag sie nicht nur als „Zuschauer“ bezeichnen, sondern als Paarprogrammierer, weil sie immer Vorschläge haben, die unseren Projekten helfen) immer hilfreich sind. Aktuell lerne ich F# im Stream, obwohl ich vorher keine Ahnung hatte, wo ich anfangen soll. Das kann ich nur empfehlen und es ist eine großartige Erfahrung für mich!

Florian Bender: Vielen Dank für das Gespräch!

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